Immer wieder entbrennen Diskussionen um ein Provisionsverbot in der Anlageberatung. Ende 2022 hat EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness die provisionsbasierte Anlageberatung erneut auf den Prüfstand gehoben. Sie moniert, eine provisionsbasierte Beratung führe dazu, dass Kleinanlegern häufig teure oder unpassende Produkte verkauft würden. Außerdem habe die in der MiFID II geregelte Offenlegung der Kosten für Finanzprodukte nicht zu einer Verlagerung von der Provisions- zur Honorarberatung geführt.
Am 24. Mai 2023 hat Mairead McGuinness ihre Vorschläge für eine Richtlinie zur Umsetzung der EU-Strategie für Kleinanleger vorgelegt. Zwar kommt ein umfassendes Verbot der Provisionsberatung vorerst nicht. Jedoch will sie Provisionen im beratungsfreien Vertrieb verbieten. Zudem enthalten die Vorschläge zusätzliche Voraussetzungen für die Beratung und neue Transparenzpflichten, insbesondere zu den Kosten.
Am 20. März 2024 hat der Währungs- und Wirtschaftsausschuss des EU-Parlaments (ECON) über die Kleinanlegerstrategie abgestimmt. Der ECON folgte dabei den Vorschlägen der Berichterstatterin im EU-Parlament, Stéphanie Yon-Courtin, und votierte gegen jegliches Provisionsverbot. Auch beim geplanten Benchmarking im Vertrieb hat sich der ECON für den praxisgerechteren Vorschlag der Berichterstatterin entschieden und damit die einseitige Fixierung auf die Kosten abgelehnt. Denn diese ginge zu Lasten von Produktqualität und Innovation. Für Sparer sind die erwartete Rendite und die Qualität eines Produktes aber genauso wichtig wie die Gebühren. Das EU-Parlament hat den Vorschlägen des ECON am 23. April 2024 zugestimmt. Der Weg bis zum fertigen Gesetz ist wegen der anstehenden EU-Wahlen jedoch noch weit.
Mit einem Provisionsverbot, auch mit einem partiellen, würde die Kommission ihre Ziele nicht erreichen und den Kleinanlegern schaden. Zum Beispiel würde ein Provisionsverbot im beratungsfreien Vertrieb dazu führen, dass die von den Vertrieben erbrachten Dienstleistungen wie die Ordererteilung separat bepreist werden. Das würde aber gerade Sparer mit kleinen Anlagebeträgen überproportional stark belasten.
Dennoch geht die Kommission davon aus, dass mit einem Provisionsverbot die Produktkosten sinken und dadurch die Rendite des Geldvermögens (Portfoliorendite) der Anleger steigt. Eine BVI-Studie, die Daten der Europäischen Zentralbank und der englischen Statistikbehörde auswertet, zeigt allerdings, dass diese Annahme nicht zutrifft: Ein Provisionsverbot führt nicht zu höheren Renditen für Privatanleger und verhindert sogar, dass diese sich stärker an den Kapitalmärkten beteiligen.
So hat das in England und in den Niederlanden vor rund zehn Jahren eingeführte Provisionsverbot keine Veränderung der Portfoliorendite bewirkt. Offenbar haben andere Effekte die geringeren Kosten der provisionsfreien Produkte ausgeglichen. Zum Beispiel werden Vertriebskosten durch ein Provisionsverbot typischerweise nicht reduziert, sondern nur gesondert gezahlt. Außerdem könnten sich durch eine Beratungslücke private Haushalte weniger an den Kapitalmärkten, zum Beispiel über Fonds, beteiligen. Damit würden ihnen Renditechancen entgehen.
Die BVI-Auswertung belegt, dass Privatanleger in England und den Niederlanden aufgrund des dortigen Provisionsverbots tatsächlich weniger in Fonds investieren. Der BVI beziffert diesen Rückgang auf im Schnitt knapp 340 Euro pro Jahr und Kopf. Bei Fonds verhindern also Verbote – nicht die Provisionsberatung – eine stärkere Beteiligung privater Anleger an den Kapitalmärkten. Das widerspricht allem, was die EU erreichen will.